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Offener Brief des VCD an Bundestagsabgeordnete 

Statt Stuttgart 21 - mehr Bahn in NRW und für Dortmund endlich ein neuer Hauptbahnhof

Pressemitteilung vom 21.10.2010

Der Kreisverband Dortmund-Unna des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) hat in einem Offenen Brief die heimischen Bundestagsabgeordneten aufgefordert, sich für mehr Investitionen in den nordrhein-westfälischen Bahnverkehr und insbesondere den dringend erforderlichen Umbau des Dortmunder Hauptbahnhofes stark zu machen. Das aber ist nach Ansicht des VCD nur möglich, wenn Bund und Deutsche Bahn zugleich auf das völlig überteuerte Prestigeprojekt Stuttgart 21 verzichten. „Selbst wenn man die optimistischen Rechnung der Deutschen Bahn zum Maßstab nimmt, kostet allein der neue unterirdische Bahnhof in Stuttgart 173 mal so viel, wie Bund, Land und Bahn für Dortmund derzeit auszugeben bereit sind“, schüttelt der VCD-Kreisvorsitzende Lorenz Redicker nur den Kopf: „4 Milliarden zu 23 Millionen – das ist absurd.“ Zumal die Hauptbahnhöfe sich in ihrer Bedeutung nicht allzu sehr unterscheiden: Stuttgart hat mehr Reisende (bedingt durch die Dominanz in der Region), Dortmund mehr Züge sowohl im Fern- wie im Nahverkehr.

Werde Stuttgart21 gebaut, wären die Investitionsmittel des Bundes für den Bahnverkehr mindestens für dieses Jahrzehnt, möglicherweise aber noch darüber hinaus, komplett verplant, warnt der VCD. „Das heißt: Der Dortmunder Bahnhof bleibt, was er ist: als Verkehrsstation völlig unzulänglich, in seiner Größe wohl der schlechteste Bahnhof in ganz Deutschland, ein erbärmliches Aushängeschild für die Stadt“, schwant Redicker böses. Und auch wichtige Investitionen in die Schienen in NRW, etwa in das zweite Gleis zwischen Lünen und Münster, hätten auf viele Jahre keine Realisierungs-Chance, ebenso wenig die Sanierung zahlreicher, oft ziemlich abgewrackter kleinerer Bahnhöfe in und um Dortmund. „Wer Stuttgart21 gegen jeden Widerstand durchsetzt, ist sich für den Stillstand, nein: Rückschritt im Bahnverkehr in NRW mitverantwortlich“, appelliert der VCD an die heimischen Abgeordneten, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Bundesregierung und das Bundesunternehmen Deutsche Bahn zur Vernunft zu bringen. Nichts geht mehr, gilt ansonsten für den Bahnverkehr in Deutschland jenseits von Stuttgart.

Die Argumentation der Bundesregierung, wenn Stuttgart21 verhindert werde, sei kein einziges Großprojekt in Deutschland mehr durchzusetzen, sei hanebüchen. „Umgekehrt wird ein Schuh draus“, argumentiert der VCD: Wer sinnlose Großprojekte durchdrückt, wird künftig selbst bei wichtigen, sinnvollen Projekte mit heftigen Widerstand rechnen müssen. Und die jetzt von der Bahn präsentierten Zahlen über die angeblichen Kosten eines Verzichts auf Stuttgart21 sind für den VCD offensichtlich herbeifabuliert.

„Es gibt nur ein wirklich gutes Argument für Stuttgart21“, sagt Redicker: „Das sind die städtebaulichen Chancen, die sich durch das Projekt ergeben.“ Städtebauförderung in Stuttgart sei aber nicht Aufgabe der Verkehrspolitik, man solle sie den Stuttgartern überlassen (die das ja offenbar gar nicht so sehr wollen). Verkehrspolitisch bringt das Aus für den funktionierenden Kopfbahnhof in Stuttgart viel mehr Nach- als Vorteile mit sich.

An den
Bundestagsabgeordneten

Marco Bülo
w, (desweiteren an Ulla Burchardt, Markus Kurth, Erich G. Fritz)
Offener Brief zum Thema Stuttgart21 und Bahnverkehr in Dortmund und NRW

Sehr geehrter Herr Bülow,

Stuttgart21 ist seit Wochen eines der beherrschenden Themen in der Bundespolitik. Wir, der Kreisverband Dortmund-Unna des umweltorientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD), möchten Sie mit diesem Schreiben auf die Folgen dieses Großprojektes für Dortmund und für Nordrhein-Westfalen – und damit auch für Ihre Wählerinnen und Wähler - aufmerksam machen. Und die sind nicht gering.

Gegen Stuttgart21 sprechen viele Fakten. Aus Dortmunder Sicht vor allem das Kostenargument. Allein der Kopfbahnhof soll nach der hoch umstrittenen Rechnung der Bahn 4,1 Milliarde Euro kosten, wovon die Bundesregierung allein 1,2 Milliarden tragen soll. Das ist mehr, als der Bund zuletzt jährlich in die gesamte Bahninfrastruktur investiert hat, und 173 mal soviel, wie die aktuelle Sanierung des Dortmunder Hauptbahnhofes (ohne Verkehrsstaton) kosten werden. Dabei unterscheiden sich die beiden Bahnhöfe in ihrer Bedeutung gar nicht so sehr: Zwar hat Stuttgart täglich mehr Reisende, in Dortmund halten dafür sowohl mehr Fern- als auch mehr Nahverkehrszüe. Dazu kommen natürlich noch die Kosten für die Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm (mindestens 2,9 Mrd. Euro). Kostensteigerungen sind bei beiden Projekten sicher.

Wird Stuttgart21 jetzt gebaut, heißt das: Wichtige Bahn-Projekte in Dortmund und Umgebenung sind damit auf Jahre blockiert, ja unmöglich. Da ist vor allem die dringend erforderliche Sanierung des Dortmunder Hauptbahnhofes zu nennen: Knapp 100 Millionen hat die Deutsche Bahn für den Umbau der Verkehrsstation angesetzt, ein Vierzigstel des Betrages, der für Stuttgart21 anfällt. Für Aufzüge etwa, die es bislang nur zu den S-Bahn-Gleisen gibt, nicht aber zum ICE, für funktionierende Rolltreppen, für eine Verbreiterung des Personentunnels und und und. Alles längst überfällig, aber umsetzen will die Bahn diesen Umbau erst, wenn der Rhein-Ruhr-Express kommt. Frühestens also Ende dieses Jahrzehnts. Der Zusammenhang zwischen RRX und Bahnhofs-Umbau ist dabei keinesfalls zwingend, und ob der RRX überhaupt kommt, unklar – auch deshalb, weil wegen Stuttgart21 das Geld fehlt. Das heißt: Der Dortmunder Bahnhof bleibt, was er ist: als Verkehrsstation völlig unzulänglich, in seiner Größe wohl der schlechteste Bahnhof in ganz Deutschland, ein erbärmliches Aushängeschild für die Stadt.

Geld fehlt auch für die Sanierung zahlreicher weiterer kleiner Bahnhöfe auf Dortmunder Stadtgebiet sowie im Umland, obwohl auch dies dringend erforderlich wäre.

Gefährdet durch Stuttgart21 sind auch zahlreiche Schienenausbau-Projekte in NRW. Genannt seien hier beispielhaft der RRX, also der Ausbau der Strecke zwischen Dortmund und Köln, sowie das zweite Gleis für den Abschnitt Lünen – Münster. Auf dieser wichtigen Strecke (Köln-Ruhrgebiet-Hamburg) drängen sich seit Jahrzehnten Fern- und Nahverkehr auf ein einziges Gleis, Verspätungen besonders im Nahverkehr, aber regelmäßig auch im Fernverkehr sind Folge dieses Nadelöhrs im Bahnverkehr.

Wir appellieren an Sie, setzen Sie sich ein für diese wichtigen Bahnprojekte in Dortmund und NRW, kommen Sie Ihrem Wählerauftrag nach. Und das heißt zwingend: Helfen Sie mit Stuttgart21 zu stoppen, bringen Sie Bundesregierung und den Vorstandsvorsitzenden des Bundesunternehmens Deutsche Bahn AG zur Vernunft. Wenn in Stuttgart Milliarden im Untergrund verpulvert werden, fehlt das Geld für sinnvolle Projekte in Dortmund und Nordrhein-Westfalen. Wer Stuttgart21 gegen jeden Widerstand durchsetzt, ist sich für den Stillstand, nein: Rückschritt im Bahnverkehr in Dortmund und NRW mitverantwortlich.

Auf ein Argument für Stuttgart21 will ich eingehen: Die Behauptung, wenn dieses Projekt jetzt nicht durchgezogen werde, könne kein Großprojekt in Deutschland mehr umgesetzt werden. Das aber ist, mit Verlaub, hanebüchen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wer sinnlose Großprojekte wie Stuttgart21 durchdrückt, wird künftig selbst bei wichtigen, sinnvollen Projekte mit heftigen Widerstand rechnen müssen.

Fachlich sprechen für Stuttgart21 im Übrigen allein die städtebauliche Chancen, die sich durch die Untertunnelung der Stadt ergeben. Das aber ist nicht Aufgabe des Bahnverkehrs, und die Stuttgarter selbst sind ja offensichlich wenig interessiert an diesen Chancen. Verkehrspolitisch bringt das Aus für den funktionierenden Kopfbahnhof in Stuttgart viel mehr Nach- als Vorteile mit sich.

Mit freundlichen Grüßen
Lorenz Redicker
1. Vorsitzender

Stand: 25.11.2010
     

   
 
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