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Stadtfairkehr Nr. 24 - Frühjahr 2007 - Seite 1


 Verlassene Gleise - die Zukunft der Bahn?
Foto: Frollein S.

Jeder fünfte Zug vor dem Aus?

Die Kürzung der Regionalisierungsmittel bedroht den Bahnverkehr in NRW massiv.
Land will kein eigenes Geld investieren, die Deutsche Bahn verdient prächtig weiter.

Die Bundesregierung hat die Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr zusammengestrichen. Die Folgen für dieses Jahr sind noch vergleichsweise harmlos. Für die Zukunft aber sieht es übel aus für den Bahnverkehr.

Als erstes haben es die Uni-Studenten zu spüren bekommen: Die Verstärkerfahrten auf der S-Bahnlinie S1 zwischen Dortmund und Bochum, die eine verbesserte Anbindung der Universität boten, sind zum Fahrplanwechsel im Dezember entfallen. Auch die Emschertalbahn nach Wanne-Eickel fährt nun seltener. Insgesamt musste der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) wegen der Kürzung der Regionalisierungsmittel - die Gelder, mit den VRR und ZRL ihre Züge bezahlen - für das laufende Jahr den Fahrplan um 519.000 Zug-Kilometer kürzen, das sind 1,2 Prozent des gesamten Angebots.
 
Was eher harmlos klingt, ist leider nur der zarte Vorgeschmack auf die tatsächlich noch bevorstehenden Kürzungen. Denn während die landesweiten Kürzungen für das laufende Jahr etwa 24 Millionen Euro betragen, werden es nach dem derzeitigen Stand für 2008 schon 120 Mio. Euro sein, 2009 dann 137 Mio. und in 2010 schließlich 155 Mio. Euro. Dem VRR werden dementsprechend 22 Millionen, 25 Mio. und dann 29 Mio. Euro fehlen. Damit wäre in der Tat – wie vom VRR oftmals angedroht – rund ein Fünftel aller Züge in Gefahr, dann kann es nicht mehr bei einzelnen Zugstreichungen bleiben, dann sind ganze Linien in Frage gestellt und damit der gesamte Erfolg der vergangenen zehn Jahre Bahnreform, also seit Beginn der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs im Jahr 1996.
 
Im Zweckverband Ruhr-Lippe (ZRL) sieht es grundsätzlich nicht anders aus. Auch dort gab es zum Fahrplanwechsel die ersten Kürzungen. So fährt die Hönnetalbahn sonntags nur noch alle zwei Stunden zwischen Fröndenberg und Neuenrade, die obere Ruhrtalbahn soll zum Teil nur noch mit einem Fahrzeug (bisher zwei) verkehren, es wird also enger. Und auch beim ZRL ist die Ankündigung für 2008 deutlich: jeder zehnte Zug ist bedroht!

Weniger Geld = weniger Züge?

Gibt es eigentlich keine Alternative zu der einfachen Gleichung: weniger Geld = weniger Züge?
Wer genau hinschaut, sieht, dass alles nicht so schlimm kommen müsste, wenn zum Beispiel die Düsseldorfer Landesregierung einen Teil ihrer Mehreinnahmen aus der erhöhten Mehrwertsteuer zur Kompensation der gekürzten Regionalisierungsmittel den Zweckverbänden zur Verfügung stellen würde. Bisher jedoch gibt es sowohl vom Finanzminister Helmut Linssen (noch verständlich) als auch vom Verkehrsminister Oliver Wittke (ziemlich unverständlich) eine klare Absage; die Mehreinnahmen sollen allein dem Schuldenabbau dienen. Vom CDU-Politiker Wittke hört man lediglich, durch Bürokratieabbau und Zusammenlegung von Zweckverbänden (drei gegenüber heute neun Zweckverbänden) solle das nötige Geld eingespart werden. Wer sich die Beträge anschaut,  die dadurch eingespart werden können, weiß, dass das ziemlicher Nonsens ist.
Auch die Bahn AG könnte über einen Preisabschlag einen Teil der Mindereinnahmen ausgleichen. Über ihre Infrastrukturtöchter DB Netz  und DB Station & Service  kassiert sie rund die Hälfte der Gelder als sogenannte Trassen- bzw. Stationsgebühren, und die nächste Kostensteigerung ist schon absehbar. Weil die Infrastrukturkosten kaum variabel sind, muss dann eben der Preis je Zug-km angehoben werden, damit bei weniger be- stellten Zügen zum Schluss die Kasse wieder stimmt. Das Netzmonopol der Bahn lässt grüßen.
 
Von der Bundesregierung wird die Kürzung der Regionalisierungsmittel nicht nur mit dem Hinweis der notwendigen Haushaltskonsolidierung, sondern auch mit einem möglichen effizienteren und sachgerechteren Umgang mit dem Geld begründet. Gemeint ist damit in erster Linie die Möglichkeit der Zweckverbände, Strecken oder ganze Teilnetze nicht mehr zu einem pauschalen Einheitspreis, sondern nach einer Ausschreibung zu einem Marktpreis bei einem Eisenbahnunternehmen zu bestellen. Häufig wird hier eine Größenordnung von 20 Prozent Ersparnis genannt. Ob der Wert auf Dauer haltbar ist, wird die Zukunft zeigen, er dürfte eher fraglich sein. Dennoch ist der Wettbewerb grundsätzlich das richtige Mittel sowohl zur Kostensenkung als auch – mindestens ebenso wichtig – zur Qualitätssteigerung.

Zögerlicher Wettbewerb

Leider ist der VRR den Weg über den Ausschreibungswettbewerb bisher nur zögerlich angegangen. Von den 43 Millionen Zug-km jährlich im VRR-Gebiet sind bis jetzt nur ca. 9 Mio. im Wettbewerb vergeben worden; dies entspricht einer Quote von etwas über 20 Prozent. Bis Ende 2008 soll die Quote auf knapp 40 Prozent steigen. Der ZRL ist da schon weiter. Zwar hat auch er im Moment nur etwas über 20 Prozent der Zug-km im Wettbewerb vergeben, bis 2009 wird aber seine Quote auf knapp 70 Prozent klettern, dann nämlich, wenn auch das Ruhr-Sieg-Netz und das Hellweg-Netz in den Wettbewerbs-Betrieb gegangen sein werden. Die 70-Prozent-Marke wird der VRR nach eigenen Aussagen erst 2017 erreichen. Zwei Jahre später (ab 2019) soll dann auch das S-Bahn-Netz, das alleine 17 Mio. Zug-km umfasst, im Wettbewerb vergeben sein. Bis dahin wird noch eine Menge Wasser durch Ruhr und Emscher fließen – und Geld in die Kassen von DB-Regio, dem hochprofitablen Betreiber der S-Bahn, und DB-Netz, dem Eigentümer der Schienen.
 
Und genau im S-Bahn-Netz liegt wohl der Schlüssel zu einem effizienteren Einsatz der Mittel. Es stellt sich nämlich die Frage, ob der S-Bahn-Grundtakt weiterhin bei 20 Minuten liegen muss, oder ob nicht auch ein 30-Minuten-Takt sachgerecht und vertretbar wäre, der in den Hauptverkehrszeiten auf den wichtigen Linien (besonders S1 und S6) zu einem 15-min-Takt verdichtet werden könnte. So ganz nebenbei würde damit der bestehende Bedienungsunterschied zwischen S-Bahn-Strecken einerseits und Regionalbahnen andererseits beseitigt. Konkret: wo liegt der sachliche Grund dafür, dass man dreimal pro Stunde vom Dortmunder Hbf. mit der S2 nach Mengede, aber nur zweimal mit der RB53 nach Schwerte kommt? Eine größere Bedeutung hat Mengede sicher nicht.
 
Eine solche Umstellung ist selbstverständlich nicht von heute auf morgen zu machen, aber bis 2019 zu warten, ist ganz sicher keine Lösung, vor allem nicht, wenn bis dahin gefährdete Strecken schon stillgelegt worden sind.     Albrecht Buscher

Stand: 16.03.2007
     

   
 
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