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Stadtfairkehr Nr. 24 - Frühjahr 2007 - Seite 3


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Greenwheels und das Tal der Tränen

Ärger beim Car-Sharing: Holländer kämpfen nach Shell-Drive-Übernahme mit Problemen.
Stadtmobil-Gründer: „Die fahren das Auto-Teilen gegen die Wand”.

Mit großen Versprechungen hatte Greenwheels im Frühjahr 2006 Shell Drive übernommen. Doch dann geriet das Car-Sharing-Unternehmen in Turbulenzen. Jetzt klagt ein ehemaliger Stadtmobil-Miteigner die Nachfolger an: „Niemand kann von einer ernsthaften Weiterführung des Geschäftes reden.”

„Anbei erhalten Sie Ihre Rechnung – Mit freundlichen Grüßen“ – so harmlos begann der (elektronische) Brief, mit dem Greenwheels im November vergangenen Jahres seinen Kunden das eigene Abrechnungsdesaster offenbarte. Was dann übergangslos folgte, hatte es in sich: „Es werden Buchungen berechnet, die ich nicht gemacht habe“, heißt es da, oder:  „Manche meiner Fahrten stehen nicht auf der Rechnung.” Eine Erklärung für das buchhalterische Totalversagen fand sich in dem Schreiben nicht, nur Sätze, mit denen die Holländer, Marktführer in Deutschland und im Heimatmarkt, ihren Kunden allein ihr Unvermögen darzulegen vermochten: „Nicht bei allen Fahrten des Monats Juli ist es gelungen, diese einwandfrei einem Kunden zuzuordnen.”

Die Turbulenzen bei Greenwheels, das im Frühjahr 2006 Shell Drive, ehedem Stadtmobil, übernommen hatte und somit auch das Car-Sharing-Geschäft in Dortmund, wirbelten allerdings nicht nur die Rechnungen durcheinander. Die Kunden-Center geschlossen, das Gros der ehemals 40 Shell-Drive-Mitarbeiter entlassen (in Deutschland arbeiten jetzt insgesamt 20 Mitarbeiter), der Fuhrpark deutlich reduziert (nach Angaben ehemaliger Mitarbeiter von 350 auf zeitweise 230), Autos teils ohne Vorankündigung abgezogen. Kunden beklagen sich in einem Weblog über den  „saumäßigen Service”, gebuchte Autos, die nicht da waren, eine unerreichbare Hotline, unbeantwortete E-Mails, frustrierte Mitarbeiter - und und und.

Greenwheels-Geschäftsführer Birger Holm streitet die Probleme erst gar nicht ab, die er „von der subjektiven Wahrnehmung der Kunden her eine Katastrophe“ nennt. Deren Ursprung sieht Holm zumindest teilweise „in früheren Zeiten“. Shell Drive, erklärt er, habe über seine Verhältnisse gelebt, bei 3,5 Millionen Euro Umsatz in 2005 satte 2,2 Mio Euro Verlust gemacht. Deshalb hätten viele Mitarbeiter entlassen werden müssen, deshalb auch hätte Greenwheels viele Fahrzeug-Leasingverträge gekündigt – „die waren nicht richtig wirtschaftlich“; die Neuanschaffung der Autos indes habe Zeit gebraucht.  80 zusätzliche Fahrzeuge kündigt Holm, der einst für Stadtmobil arbeitete, für die ersten beiden Februar-Wochen an, „etliche auch für Dortmund“. „Das Tal der Tränen ist vorbei!“, verspricht der Greenwheels-Geschäftsführer. Die Probleme, die im Sommer noch durch den Bruch mit DB Rent verstärkt wurden, habe man inzwischen im Griff. Die Car-Sharing-Tochter der Bahn hatte bis dahin Buchungen und Abrechnungen für Greenwheels abgewickelt und dann kurzfristig gekündigt. Holm verweist auf 1500 Neukunden in Berlin binnen anderthalb Jahren, „obwohl wir unser Kundenbüro dort geschlossen haben”, und bekräftigt: Ziel sei nach wie vor der Ausbau des Car-Sharing-Geschäfts in Deutschland.

Andreas Allebrod will daran nicht glauben. Der ehemalige Stadtmobil-Miteigentümer sieht vielmehr eine „Abmachung zwischen Shell und Greenwheels, dem Car Sharing in Deutschland dauerhaft zu schaden”, (ein Vorwurf, den Holm als „völlig absurd” bezeichnet). Der Hinweis auf die Shell-Drive-Verluste sei nicht mehr als eine Ausrede; Allebrod erklärt die roten Zahlen mit hohen internen Kosten etwa für vier Shell-Geschäftsführer und weiteres Personal, das es im „normalen Stadtmobil-Betrieb” nie gegeben habe. 

Man sieht: Nicht nur mit Greenwheels, auch mit Shell Drive hat Allebrod keinesfalls seinen Frieden geschlossen. Shell habe bei der Übernahme Ende 2003 die Fortführung des Geschäfts für mindestens fünf Jahre und darüber hinaus den Stadtmobil-Eigentümern Thomas Telgenbüscher und eben Allebrod ein Rückkaufrecht zugesichert; wegen des doppelten Vertragsbruchs verklagten nun er, Allebrod, und Telgenbüscher Shell vor dem Hamburger Landgericht.

Im Übrigen blickt Allebrod nach vorn. Er baut gerade ein deutschlandweites Car-Sharing-Unternehmen auf, gemeinsam mit der Europa Service (ES) Autovermietung. In elf Städten, darunter Dortmund und Witten, ist die Drive Carsharing GmbH (www.drive-carsharing.com  ) schon jetzt selbst aktiv, zehn weitere sollen schnellstens folgen. Allebrod arbeitet mit örtlichen Autovermietern zusammen, zudem mit DB Carsharing. Das Ziel ist ambitioniert: Marktführer in Deutschland wolle man werden, gab ES zum Start aus. Noch allerdings, räumt Allebrod ein, laufe das Geschäft „eher zögerlich”. Die Kunden seien sehr leidensfähig, sagt er mit Blick auf Greenwheels. Vom eigenen Konzept  ist Allebrod überzeugt: „Carsharing ist ein Dienstleistunsgeschäft. Über das Internet allein läuft das nicht.”        

 Lorenz Redicker

Letzte Meldung:
Drive Carsharing hat die Preise inzwischen gesenkt: In Städten, denen auch Greenwheels aktiv ist (u.a. Dortmund, Düsseldorf), gibt es DriveCarsharing-Autos ab 1,50 Euro (nachts) bzw. 3,25 Euro tagsüber pro Stunde.

Stand: 16.03.2007
     

   
 
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